Globale Strukturen, volatile Nachfrage und wachsende Kundenanforderungen hinsichtlich Produktverfügbarkeit und Lieferzeiten stellen neue Ansprüche an die Lieferkette. Erfolgreiche Beispiele führender Unternehmen zeigen, wie durch ein effizientes Sales & Operations Planning (S&OP) der Weg zur Supply Chain Excellence gelingen kann.
Die Zeiten, als die Supply Chain von Unternehmen durch kurze Lieferketten und ein überschaubares Produktportfolio charakterisiert wurde, sind vorbei. Für Unternehmen wird es immer schwieriger schnell und zuverlässig die richtigen Produkte in der gewünschten Zeit zu liefern und dabei effizient und profitabel zu sein. Zu hohe Lagerbestände, Umsatzverluste, Produktunverfügbarkeit und eine nicht optimale Nutzung der Ressourcen sind kostspielige Probleme, die häufig auf einen unzureichenden S&OP-Prozess zurückzuführen sind. Obwohl dieser mittlerweile in vielen Unternehmen etabliert ist, sind längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Unserer Erfahrung nach ist das zumeist auf folgende Ursachen zurückzuführen:
Um diese grundlegenden Fehler zu vermeiden, ist ein übergreifender Ansatz des S&OP erforderlich, der über eine dezentrale und isolierte Planung hinausgeht.
Im Kern geht es beim S&OP um die Harmonisierung von Angebot und Nachfrage sowie die Definition eines einheitlichen Plans für Produktion und Vertrieb. Ausgehend von der Nachfrageprognose, die den Input von Key Accounts und Vertriebsmitarbeitern nutzt, werden monatlich die Bedarfe mit den vorhandenen Produktionskapazitäten abgeglichen. Ergeben sich Differenzen so werden diese im sogenannten Alignment-Meeting ganzheitlich
bewertet und Lösungen sowie Kompromisse zu einer Konsensplanung zusammengeführt. Ein effektiver S&OP-Prozess adressiert dabei insbesondere die Probleme, die sich aus ungeplanten Abweichungen wie beispielsweise Betriebsausfällen ergeben und leitet Maßnahmen ab, die Angebot und Nachfrage wieder in ein Gleichgewicht bringen und Bullwhip-Effekte vermeiden. Richtig verstanden kann der S&OP-Prozess dabei zu einem wertvollen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen werden und einen entscheidenden Beitrag auf dem Weg zur Supply Chain Excellence liefern.
Schematischer Ablauf des Sales und Operations Planning
Wir haben sechs Erfolgsfaktoren identifiziert, die wesentliche Voraussetzungen schaffen und mit denen sich die Potenziale eines übergreifenden S&OP-Prozesses erschließen lassen.
1. Eine ganzheitliche Supply Chain Sicht schaffen:
Ein effektives Supply-Chain-Management erfordert alle drei Planungsebenen (strategisch, taktisch und operativ) als integrale Bestandteile der Supply Chain zu berücksichtigen und voneinander abzugrenzen. Während der S&OP-Prozess primär die taktische Ebene mit einem Planungshorizont von 12-18 Monaten rollierend fokussiert, sollte die strategische Planung neben der Gestaltung des Produktionsnetzwerkes auch die Bedarfsseite z. B. in Form des Produktlebenszyklus-Managements und Pricings umfassen. Die wochen- und tagesgenaue Produktionsplanung und -steuerung finden auf der operativen Ebene und deutlich dezentraler als der S&OP-Prozess statt. Für stabile Planungsprozesse benötigt man Transparenz hinsichtlich der Ziele und Umfänge der drei Planungsebenen sowie klar definierte Schnittstellen.
2. Ursachen und Auswirkungen von Nachfrageschwankungen verstehen:
Welche Einflüsse haben verschiedene Impact-Faktoren auf die Nachfrage (saisonale Schwankungen, Wettbewerber etc.)? Wie verhalten sich neue Produkte am Markt? Welche Auswirkungen haben Nachfrageschwankungen auf die Produktion? Ein S&OP-Prozess kann nur funktionieren, wenn Unternehmen ein Verständnis für Nachfragemuster entwickeln und Strategien definieren wie die Variabilität entlang der Supply Chain am besten gemanagt werden kann.
3. Ein cross-funktionales Team etablieren:
Die taktische Planung von Absatz und Produktion betrifft alle Funktionsbereiche entlang der Lieferkette. Um Interdependenzen beispielsweise zwischen Bestandslevel und Servicegrad ausreichend bewerten zu können, müssen die verschiedenen Abteilungen im Alignment-Meeting zusammengebracht werden. Nur durch die Berücksichtigung sämtlicher Auswirkungen können Alternativen ganzheitlich bewertet und eine Konsensplanung erreicht werden.
Prozessbeteiligte innerhalb des S&OP Prozesses
4. Das Produktportfolio nach verschiedenen Segmenten strukturieren:
Um sich bei der Absatz- und Produktionsplanung auf wesentliche Bereiche zu fokussieren, ist eine Segmentierung von Produkten, Vertriebswegen und Kunden nach Faktoren wie Volumen und Prognostizierbarkeit z. B. durch eine ABC-XYZKlassifizierung erforderlich. Während Produkte mit einer gut prognostizierbaren Nachfrage mithilfe analytischer Verfahren geplant werden können, sind bei einer volatilen Nachfrage andere Planungsverfahren erforderlich.
5. Eine konsistente Datenbasis schaffen:
Während in der Vergangenheit der S&OP-Prozess primär Excel-basiert durchgeführt wurde, reichen die Basisfunktionen zur geeigneten Prognoseerstellung heute nicht mehr aus. Für schnelle Datenund Informationsflüsse sollten vielmehr die zentral gelagerten ERP-Daten genutzt und durch statistische Methoden, analytische Modelle und neuronale Netze angereichert werden. Standardsysteme wie SAP verfügen in der Regel über geeignete Werkzeuge zur Prognoseerstellung und gewährleisten konsistente Daten zur Entscheidungsfindung. Zahlreiche im Markt verfügbare Add-on-Programme können die Prozessdurchführung darüber hinaus deutlich erleichtern.
6. Ein übergreifendes Zielsystem entwickeln und Abweichungen messbar machen:
Häufig wird nur erreicht, was auch gemessen wird. Durch die gemeinsame Ausrichtung der Zielsysteme entlang der Wertschöpfung lassen sich vorhandene Zielkonflikte abschwächen. Als cross-funktionaler Prozess sollten im Rahmen des S&OP gemeinsame, abteilungsübergreifende Anreize verfolgt werden und Erfolge anhand von KPIs gemessen werden. Konkrete Zielvereinbarungen bilden eine wichtige Voraussetzung, dass die getroffenen Entscheidungen auch verbindlich eingehalten werden.
Einordnung des S&OP in die Unternehmensplanung [1]
Globale und volatile Märkte erfordern eine stärkere Fokussierung auf die Gestaltung eines effektiven Supply-Chain-Managements. Der S&OP-Prozess als zentraler taktischer Planungsprozess kann dabei den entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Die Etablierung des Prozesses ist insbesondere im Hinblick auf die cross-funktionale Zusammenarbeit und vorliegenden Zielkonflikte nicht einfach und erfordert neben der inhaltlichen Konzeption des Prozesses auch ein umfassendes Change-Management. Doch der Aufwand lohnt sich. Eine stabile, nachhaltige und effektive Planung ist ein erheblicher Hebel zur Erhöhung von Service-Level, Liefertermintreue (2 % bis 5 % mehr fristgerechte Lieferungen) sowie zur Verbesserung der Kapazitäts- und Bestandsplanung (-10 % bis -20 % geringere Bestände, Liefer- und Produktionskosten).
Quelle
[1] In Anlehnung an Dr. Larry Lapide “S&OP: The Linchipin Planning Process”, Supply
Chain Management Review, November 2011